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3. Methoden zu Reflexion und Perspektivwechsel

Identitätsmolekül

Die Teilnehmenden reflektieren eigene verschiedene Zugehörigkeiten als
Hintergrund dafür, wie eigene Zugehörigkeiten/Identitäten die Sicht auf die Welt
beeinflussen.

Ziel

Die Teilnehmenden reflektieren eigene verschiedene Zugehörigkeiten als
Hintergrund dafür, wie eigene Zugehörigkeiten/Identitäten die Sicht auf die Welt beeinflussen. Sie erkennen die Vielschichtigkeit eigener Identitätsprozesse und entdecken Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Gruppe.

Rahmen

  • 45 min.
  • 10-20 Teilnehmenden
  • Karten und Stifte

Ablauf

Einzelarbeit 5 –10 Minuten
Bitten Sie als Erstes die Teilnehmenden, ihr Identitätsmolekül zunächst alleine
auszufüllen. In den großen Kreis in der Mitte schreiben sie ihren Namen. In die
kleinen Kreise sollen sie die Gruppen schreiben, denen sie sich momentan
zugehörig fühlen bzw. die Zugehörigkeiten, die gerade von Bedeutung für sie
sind. Dabei können verschiedene Zugehörigkeiten genannt werden, z.B.
Sportler:in, Berufsschüler:in, Berliner:in, Deutsche:r, Mutter, Kirchenmitglied,
Bruder, Jugendliche:r, Punker:in, Frau, Weiße:r, Homosexuelle:r, Reisende:r,
Mitglied im Fußballclub, Katzenliebhaber:in, Außenseiter:in … Es kann hilfreich
sein, dass Sie das Ausfüllen des Identitätsmoleküls am eigenen Beispiel an der
Tafel/Flipchart veranschaulichen. Dabei können Sie auch kurz darauf hinweisen,
weshalb die von Ihnen genannten Gruppenzugehörigkeiten momentan für Sie
von Bedeutung sind.

Kleingruppen 20 Minuten
Bitten Sie die Gruppe, sich in Zweiergruppen aufzuteilen. In den Zweiergruppen
stellen sich die Teilnehmenden jeweils ihr Identitätsmolekül vor. Dabei sollen sie
sich gegenseitig erläutern, weshalb die geschriebenen Gruppen/Zugehörigkeiten
für sie momentan wichtig sind, und welche positiven oder negativen Erfahrungen
mit dieser Gruppenzugehörigkeit verbunden sind.

Plenum 20 Minuten
Alle kommen wieder im Stuhlkreis zusammen und berichten, wie sie die Übung
bisher erlebt haben. Mögliche Fragen für diese Phase sind:

● Wie war die Übung für Sie?
● War es einfach/schwierig, sich für Gruppen/Zugehörigkeiten zu
entscheiden?
● Wie war es, sich darüber auszutauschen?

Bitten Sie nun die Teilnehmenden, der Reihe nach eine ihrer Zugehörigkeiten
(oder auch ihre momentan zentrale Zugehörigkeit) vorzulesen und aufzustehen.
Wer sich auch dieser Gruppe zugehörig fühlt, steht ebenfalls auf. Hier sollte
möglichst auch die anleitende Person teilnehmen. Je nach
Gruppenzusammensetzung kann es sinnvoll sein, dass die Teilnehmenden
spontan (ohne festgelegte Reihenfolge) ihre Gruppenzugehörigkeiten vorstellen.

Variante
Anstelle des Aufstehens im Kreis kann auch eine Positionierung im Raum
stattfinden. Am Ende des Raums wird eine Karte ICH aufgehängt, am anderen
eine Karte ICH NICHT. Die Person, die ihre Zugehörigkeit vorliest, geht zu ICH. Die
anderen ordnen sich entweder ebenfalls dem Pol ICH oder aber dem Pol ICH
NICHT zu. Die Auswertung findet wie oben beschrieben statt.

Auswertung

Im Großplenum können nun folgende Fragen miteinander diskutiert werden:

● Wie war es, gemeinsam mit vielen anderen aufzustehen?
● Wie war es, mit wenigen oder alleine aufzustehen?
● Gab es Gemeinsamkeiten, mit denen Sie nicht gerechnet hatten?
● Wie haben Sie sich gefühlt?
● Hat es einen Unterschied gemacht, ob es sich um Gruppen handelt,
denen Sie sich freiwillig zuordnen (z.B. Mitglied im Sportverein) oder um
Gruppen, die Sie nicht verändern können (z.B.
Nicht-Muttersprachler_in)?
● Wie ist es mit Gruppenzugehörigkeiten, die Ihnen von anderen
zugeschrieben werden? (Selbstverortung und Fremdwahrnehmung)

Zusammenfassung / Mögliches Fazit
Identität ist ein zentrales Konzept bei der Gestaltung gesellschaftlicher Vielfalt.
Der Begriff betont das starke menschliche Grundbedürfnis nach Wertschätzung,
Akzeptanz und Anerkennung, welches ein grundlegendes Element des
Diversitäts-Konzepts und einen wichtigen Bestandteil diversitätsbewusster
Bildungsarbeit darstellt. Menschen definieren sich zu großen Teilen durch ihre
Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Zum einen geschieht dies auf Grundlage
physischer und sichtbarer Ähnlichkeiten, z.B. Hautfarbe oder Geschlecht. Zum
anderen basiert das Gefühl der Zugehörigkeit auf dem Teilen bestimmter Werte,
Normen und Traditionen. Die erziehungswissenschaftliche Diskussion hat den
Begriff der Identität vielfach problematisiert. Es lässt sich festhalten, dass
Identitäten nichts Statisches, ein für alle Mal Feststehendes sind, sondern sich
situations- bzw. kontextabhängig verändern.

Anwendung auf pädagogische Arbeit mit Kindern

Eine spielerische Variante der Methode für Kinder kann das Spiel „Die Sonne
scheint für alle, die…“ sein. Dabei stehen alle Kinder im Kreis. Die Leitung beginnt
und lädt alle Kinder mit dem Satz „Die Sonne scheint für alle, die…“ ein, in die
Mitte des Kreises zu kommen, auf die das genannte Merkmal zutrifft. Denkbar
sind alle für Kinder identitätsstiftenden Merkmale und Eigenschaften, Vorlieben,
Hobbies (Geschwister, Sport, Brille, Kino, Barbiepuppen, braune Augen,
Familiensprachen etc.). Wenn die Kinder in den Kreis kommen, gibt es jedes Mal
einen großen Applaus, um Wertschätzung auszudrücken. Es kann hilfreich sein,
bei einzelnen persönlich und auch gesellschaftlich relevanten Merkmalen auch
die entgegengesetzten Gruppen aufzurufen (z.B. „Die Sonne scheint für alle, die
Geschwisterkinder haben“ und „Die Sonne scheint für alle Einzelkinder.“) damit
sich alle Kinder wertgeschätzt fühlen können.

Quelle: https://www.epiz-berlin.de/publications/buero-divers/